Von Peter Bernet (2013)

Meteoriten explodierten über Grindelwald

Das Himmelsspektakel von 1808

 

Vereinzelt dringen verglühende Meteore mit einem Überschallknall tief in die Erdatmosphäre ein. (Symbolbild: Wikimedia)

Es herrschte in der Adventszeit 1808 schlechtes Wetter mit endlosem Schneefall und tagelangem Sturm. Weit herum gingen Lawinen nieder. Der schlimmste Niedergang verschüttete am 12. Dezember zwanzig Gebäude auf der Lütschentaler Schärmatte oberhalb Burglauenen. Dabei wurden die dort wohnenden Familien von Hans Brawand, Peter Inäbnit und Hans Rubi betroffen. Vier Erwachsene und drei Kinder starben in den Schneemassen.

Zu allem Leid in diesem verhängnisvollen Lawinenwinter ereignete sich Erschreckendes am Himmel und verängstigte die Bevölkerung. Eine gute Woche nach dem schweren Lawinenunglück ob Burglauenen, ein Tag vor dem Heiligen Abend, am 23. Dezember 1808, spielte sich Unfassbares ab: Es war frühmorgens und noch dunkel. Da donnerten zum Entsetzen der Leute glühende Himmelskörper über das Tal und explodierten. Es seien «feurige Kugeln herumgeflogen» und «mit starkem Knallen zersprungen». So schrieb der Chronist 1808 in seine Grindelwaldchronik. Ähnliches sei auch «an andern Orten» beobachtet worden. Ein anderer schrieb von einer Erscheinung über dem Unteren Gletscher. Es sei «eine rote feurige Kugel auf dem äussern Gletscher zwegfahren». Man vermute, «es bedeute grosse Strafe von Gott».

Seit Jahrhunderten wurden unerklärliche Naturereignisse wie die zwei Sonnen beim Martinsloch am Schwarzeiger oder das unberechenbare Verhalten der beiden Grindelwaldgletscher als Zeichen Gottes betrachtet. So erwarteten die Talbewohner von der erschreckenden Himmelserscheinung Schlimmes. Vom Dorfpfarrer Friedrich Lehmann war aber kaum Trost zu erwarten. Den 28-jährigen Dorfgeistlichen plagten andere Sorgen. Die Obrigkeit in Bern warf ihm vor, er sei «mehr Kellner als Pfarrer», denn er betrieb das Pfarrhaus wie ein Gastwirt als Herberge. Zudem war er in eine anrüchige Schatzgräbergeschichte verwickelt, bei der er, als reformierter Pfarrherr, im Geheimen einen katholischen Priester als Beschwörer nach Grindelwald kommen liess. 1818 wurde Pfarrer Lehmann versetzt und verliess das Tal.

Zu den explodierenden Himmelskugeln schrieb 1808 der verängstigte Talchronist in seine Annalen: «Der liebe Gott möge uns mit ferneren Strafen verschonen.» Verheerende Katastrophen blieben in den folgenden Jahren aus. Sorgen bereiteten aber ein mehrmaliger Hagelzug über die Alpläger, eine Überschwemmung der Schwarzlütschine zu Mettenberg, sowie 1815 eine Grenzbesetzung, die bis in den Herbst hinein dauerte.

Offensichtlich waren in Grindelwald und vermutlich andern Teilen der Schweiz niedergehende Splitter eines Meteors beobachtet worden. Sie erschienen wie feurige Kugeln. Es ist nicht bekannt, ob einer der Himmelskörper den Boden unserer Gegend erreicht hatte oder alle vorher verglühten. Es wurde bisher kein Meteorit gefunden.

Es gab schon vor 1808 ähnliche Ereignisse: Am 7. September 1603, «abends zwischen 6 und 7 Uhr», wurde in Grindelwald eine «fürige Kugel gross wie der Vollmond» erblickt und 1698 wird von solchen Erscheinungen über dem Männlichen berichtet. Heute weiss man: Mit einem Überschallknall dringen Steine aus dem All in die Erdatmosphäre ein und zerspringen zu glühenden Partikeln. Der Berner Geologe und Meteoritenforscher Beda Hofmann schreibt dazu: «Seit jeher treffen Meteoriten und Meteoritensplitter die Erde.»

 

Quellen

Handschriftliche Grindelwaldchroniken, Privatbesitz Hermann Jaggi, Grindelwald, und Emil Schäfer, Wimmis
«Die Chroniken», Christian Rubi, 1985, S. 60
«Grindelwald», Emanuel Friedli, 1908, S. 140
Wikipedia, «Meteoroid» (11.3.2013)

 

Vereinzelt dringen verglühende Meteore mit einem Überschallknall tief in die Erdatmosphäre ein. (Symbolbild: Wikimedia)

Vereinzelt dringen verglühende Meteore mit einem Überschallknall tief in die Erdatmosphäre ein. (Symbolbild: Wikimedia)

Die Steine aus dem All zerbersten zu kugelartigen Partikeln und verglühen, wie 1808 im Berner Oberland beobachtet und in Chroniken beschrieben. (Symbolbild: Wikimedia)

Die Steine aus dem All zerbersten zu kugelartigen Partikeln und verglühen, wie 1808 im Berner Oberland beobachtet und in Chroniken beschrieben. (Symbolbild: Wikimedia)

Der unerwartete Himmelsspektakel verängstigte die Leute. Die Erscheinungen wurden als Zeichen Gottes ausgelegt. Man befürchtete Naturkatastrophen, Seuchen und Kriege. (Symbolbild: Wikimedia)

Der unerwartete Himmelsspektakel verängstigte die Leute. Die Erscheinungen wurden als Zeichen Gottes ausgelegt. Man befürchtete Naturkatastrophen, Seuchen und Kriege. (Symbolbild: Wikimedia)

Wie man sich einen Meteorabsturz vorstellte. Die Darstellung datiert von 1751. Sie entstand also rund 50 Jahre vor der Beobachtung in Grindelwald. (Bild: Wikimedia)

Wie man sich einen Meteorabsturz vorstellte. Die Darstellung datiert von 1751. Sie entstand also rund 50 Jahre vor der Beobachtung in Grindelwald. (Bild: Wikimedia)


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